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14. März 2025
Nachhaltigkeitsprozesse als systemische Intervention
Nachhaltigkeit
Mobilität
Digitalisierung
Daten
Destinationsentwicklung
Systemische Interventionen beziehen sich im Tourismus auf Ansätze und Maßnahmen, die darauf abzielen, das gesamte touristische System zu verändern und zu verbessern- die notwendige Transformation voranzutreiben.
Dabei wird das Tourismus-System als ein komplexes Netzwerk von Akteuren, Prozessen und Strukturen in der Region betrachtet, die miteinander eng interagieren und sich gegenseitig beeinflussen.
Wichtige Aspekte systemischer Interventionen
- Ganzheitlicher Ansatz: Unsere Tourismusdestinationen sind Lebensräume, für die auch wir Verantwortung übernehmen müssen! Sie berücksichtigen zukünftig neben den Gästebedürfnissen zwingend die Anforderungen der gesamten Region, der Unternehmen, der Beschäftigten, der heimischen Bevölkerung und der Natur gleichermaßen. Für diese Lebensraum-Perspektive benötigen wir ein neues Mindset und ein strategisches, ganzheitliches (nicht nur touristisches) Denken in unseren Organisationen, Gremien, sowie in den unterschiedlichen Partner- & Stakeholdergruppen.
- Netzwerkbildung und Zusammenarbeit: Systemische Interventionen fördern die sektorübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen verschiedenen Akteuren in der Region. Dies kann durch gemeinsame Projekte, Partnerschaften, neue Formen der Kooperation und durch den Austausch von Wissen und Ressourcen geschehen.
- Anpassungsfähigkeit und Resilienz: Systemische Interventionen zielen darauf ab, das touristische System anpassungsfähiger und resilienter zu machen, um auf Veränderungen, Chancen und Herausforderungen, wie zum Beispiel den Klimawandel besser reagieren zu können.
Nachhaltigkeitsprozesse mit der Zielsetzung der Zertifizierung als systemische Intervention
Ein sehr gutes Beispiel für systemische Interventionen im Tourismus sind Nachhaltigkeitsprozesse mit der Zielsetzung der Zertifizierung, die darauf abzielen, das gesamte touristische System nachhaltiger zu gestalten. Sie sind ein wirkungsmächtiges Tool, das helfen kann, den Transformationsprozess in der Region zu starten und zu unterstützen. Die ersten Zertifizierungen in österreichischen Destinationen zeigen, dass die großen Herausforderungen für die Destinationsmanagement-Organisation (DMO) meist darin liegen, echte Partizipationsprozesse aufzusetzen, die auch die Bevölkerung aktiv einbindet. Zudem messbare Kennzahlen KPIs und Ziele zu definieren und diese in Monitoringsystemen sichtbar zu machen oder auch landesweite Klimastrategien auf konkrete Handlungsanleitungen für die DMO und ihre Partner herunterzubrechen.
Als größtes, aktuelles Beispiel eines solchen systemischen Intervention in Österreich bietet sich das Burgenland mit seinen 3 Destinationen und 171 Gemeinden an, welches im Jänner 2024 in den Prozess zur Doppelzertifizierung (TourCert und Österreichisches Umweltzeichen) gestartet ist..
Warum wurde die Zertifizierung in diesem Bundesland angestrebt?
- Die Zertifizierung der Destinationen entspricht sowohl der nationalen Zertifizierungsstrategie (auf der Basis des Masterplan T für Tourismus) als auch dem verabschiedeten Masterplan der Tourismuslandesstrategie Burgenland 2030 (als hochpriorisiertes Starter-Projekt)
- Der langfristige strategische Nachhaltigkeitsprozess in den Destinationen soll die Entwicklung in den Regionen fördern und Maßnahmen messbar und transparent machen!
- Es soll eine nach innen und außen spürbare Haltung in einem landesweiten, sektorübergreifenden Netzwerk zum Thema Nachhaltigkeit entwickelt werden, welche die gemeinsame Sprache und Denkweise zur Nachhaltigkeit in den Regionen fördert und die regionale Identität und Wertschöpfung steigert
- Es sollen neue kommunizierbare, nachhaltige Angebote geschaffen werden, um neue Gäste für das Burgenland zu gewinnen und den Ganzjahres-Qualitätstourismus weiterzuentwickeln
- Es soll das Tourismus-System der Destination auf neue gesetzliche Vorschriften (z.B „EU Green-Claims Directive“, Förderungen oder Finanzierungen) vorbereitet werden.
Welche systemischen Interventionen wurden durch den Nachhaltigkeitsprozess initiiert?
In den burgenländischen Destinationen wurden durch den Nachhaltigkeitsprozess im letzten Jahr vielfältige, systemische Interventionen auf unterschiedlichen Ebenen angestoßen.
Auf der Ebene der Destinationsmanagement-Organisationen (DMO):
- Eine Organisationsentwicklung mit einer Weiterentwicklung der Teams und neuer Aufgaben- und Rollen für einen zukunftsfähigen Tourismus in der Region
- Die partizipative Entwicklung eines Nachhaltigkeitsleitbildes für die DMO
- Eine umfangreiche Datensammlung, um zukünftig evidenzbasierte Gesprächsräume öffnen zu können und faktenbasierte Entscheidungen auf der Basis von definieren KPIs und Zielsetzungen treffen zu können
- Die erstmalige Erarbeitung und Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten
- Die Entwicklung neuer Förderungen für die Zertifizierung der betrieblichen Ebene, um Nachhaltigkeit in der Destination noch sichtbarer zu machen
In der Zusammenarbeit Landestourismusorganisation und DMO und zwischen den DMOs im Land:
- Die Organisations- und Kulturentwicklung mit einer Prozess- und Rollendiskussion im System
- Die Entwicklung von Prozesskompetenzen, um komplexe Ausverhandlungsprozesse gestalten zu können
- Die gemeinsame Aneignung von Know-How zu Daten und zu Indikatoren
In der sektorübergreifenden Kooperation in der Region (aus der Perspektive Lebensraum):
- Die Entwicklung von Nachhaltigkeitsnetzwerken mit der Konstituierung von Nachhaltigkeitsräten in den Regionen
- Alle Gemeinden und Bürgermeister:innen wurden zum Nachhaltigkeitsprozess an Board geholt und haben „Letter of Intend“ zur Unterstützung unterschrieben- damit wurde die Wertschätzung für den Tourismus und den Prozess auch öffentlich dokumentiert.
- Die Gästemobilität (inkl. BAST- Anrufsammeltaxi) mit der „Burgenland Card“ gratis ab 1. Juni 2024- also ein Riesenschritt für die Weiterentwicklung der Mobilität in den Regionen (für die Bevölkerung und die Gäste)
- Die Weiterentwicklung des myburgenland Shops ( www.myburgenland.shop ), um regionale Produzenten, Handwerk und Tourismus noch enger miteinander zu verbinden.
Die neue Nutzenstiftung der DMO für die Region als Chance verstehen
Die Finanzierungsstrukturen und Governance von Destinationsmanagement-Organisationen (DMOs) werden sich künftig ändern, was eine Neugestaltung des Gleichgewichts der Interessen in ihrer Region erfordert. Derzeit bestehen vielfach Defizite in der Prozessgestaltung. Wichtige Fragen sind daher: Wie sieht in Zukunft ein partizipativer Governance-Ansatz aus und was muss die DMO dafür entwickeln und umsetzen? Nachhaltigkeitsprozesse mit Zertifizierungszielen setzen hier an, indem sie einen langfristigen, extern überprüfbaren Prozess starten. Dies ermöglicht DMOs wie im Burgenland, regionale, sektorübergreifende Entwicklungen effizient und effektiv mit ihren Stakeholdern zu gestalten. Sie bieten eine Methode, um nachhaltige Praktiken zu implementieren und zu kommunizieren, und tragen zur systemischen Entwicklung, Stabilität und Resilienz der Region bei.
Zusammengefasst sind Nachhaltigkeitsprozesse mit der Zielsetzung der Zertifizierung also ein wertvolles systemisches Instrument, um die nachhaltige Transformation von Regionen zu fördern. Die Entscheidung für einen solchen Prozess ist nicht nur eine Verpflichtung gegenüber der Umwelt, sondern auch eine strategische Entscheidung, die wirtschaftliche, soziale und ökologische Vorteile miteinander vereint und die zukünftige Nutzenstiftung der DMO in der Region konkretisiert!